„Unterstützung ohne Konsequenzen” – ECOVIN-Erzeuger sehen sich im Regelwerk gefangen – mit dem Rücken zur Wand
Freiburg. Eine geradezu paradoxe Situation der Biowinzer beklagt der ECOVIN-Baden-Vorsitzende Paulin Köpfer, nach dem „katastrophalen” Sommer: Noch nie war die Unterstützung für ein Anliegen der Biowinzer so breit und einhellig gewesen, berichtet er, aber wir kommen trotzdem keinen Schritt weiter.”
Die anhaltende Nässe dieses Sommers und die rasche Ausbreitung der Pilzkrankheiten hatte die Biowinzer in diesem Jahr an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit gebracht. Nach dem Verbot des Pflanzenbehandlungsmittels Kaliumphosphonat fehlte den Biowinzern eine wichtige Stütze zur Existenzsicherung. Im Kampf gegen Peronospora (falscher Mehltau) hatten sie bislang auf dieses bisherige Pflanzenstärkungsmittel gesetzt und auf Kupfer.
Für die Anwendung von Kupfer wurde zwar in diesem Ausnahmejahr die Mengenbegrenzung auf vier statt drei Kilo je Hektar erhöht. Aber das reichte in den meisten Fällen nicht aus: Nach jeder der zahlreichen Niederschlagsperioden nahm der Traubenbefall vor den Augen der Biowinzer zu.
Die Unterstützung für das Anliegen der Biowinzer ist so einhellig wie selten zuvor. Bei Gesprächen in Brüssel mit dem zuständigen Direktor Diego Canga Fano vom EU-Kommissariat für Landwirtschaft vertrat nicht nur Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die Forderungen nach einer Zulassung von Kaliumphosphonaten im Bioweinbau. Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, Luxembourg und Tschechien betonten ebenso die Notwendigkeit dieses Schritts. Neben allen deutschen ökologischen Anbauverbänden sprachen sich Vertreter des Deutschen und Badischen Weinbandes dafür aus. Auch der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft BÖLW forderte stellvertretend für die gesamte Bio-Branche die Wiederzulassung des Mittels für die Biowinzer.
Einziges Ergebnis der Gespräche, so Paulin Köpfer, sei das Angebot einer wissenschaftlichen Tagung Anfang 2017 gewesen. Dort soll – ein weiteres Mal – die Wirksamkeit und Umweltverträglichkeit von Kaliumphosphonat diskutiert werden. Damit wird eine Zulassung des Mittels für die nächste Vege-tationsperiode Anfang Mai 2017 immer unwahrscheinlicher.
Als „kafkaesk” hat Paulin Köpfer jetzt die Situation in einem Mitgliederbrief beschrieben: Eine so starke Phalanx an Unterstützern gefunden zu haben sei ein unglaublicher Erfolg, schreibt er. Um so unverständlicher dagegen, dass damit nichts auszurichten sei. Am 25 Oktober traf er EU-Kommissar Oettinger zu einem Gespräch in Straßburg. Am 11. November sprach er mit Staatssekretär Peter Bleser vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Und am 16. November schließlich fand das Gespräch mit Direktor Fano von der EU-Kommission auf Initiative von Minister Peter Hauk statt.
Die Fronten scheinen klar: Deutsche Bundes- und Landesbehörden verweisen – trotz des Einsatzes mehrerer Abgeordneter für eine befristet höhere Kupfergrenze – auf die Drei-Kilo-Grenze und die Ausnahmeregelung für bis zu vier Kilogramm. Mehr sei aus Umweltgründen nicht drin, auch würden Verbraucher keinen erhöhten Kupfereinsatz wünschen. Dass die EU sechs Kilo Kupfer je Hektar gestattet und dies auch in Nachbarländern so praktiziert wird, spielt dabei keine Rolle. Die Kupfer-regelung wäre die schnellste und einfachste Methode, um 2017 für ähnliche Witterungsverhältnisse gerüstet zu sein.
Beim Kaliumphosphonat ist es die EU-Kommission in Brüssel, die jede Möglichkeit blockiert, das Mittel im Bioweinbau einsetzen – sei es auch nur regional oder in Notsituationen.
Kaliumphosphonat habe sich als für Mensch und Umwelt unbedenklich erwiesen, betont der ECOVIN-Bundesverband in einem Positionspapier. Mit der Einstufung als Pflanzenschutzmittel muss es jetzt vor einer möglichen Wieder-Zulassung für den Bioweinbau erst ein komplexes Listungsverfahren durchlaufen. Und das dauert.
Jahre wie 2016 stellen Biowinzer auf eine harte Probe: Existenzbedrohend sei die Situation nicht nur in Baden sondern in allen Anbaugebieten gewesen, so Köpfer. Für eine Anhebung der Kupfergrenze sieht der Bioweinbau-Experte keine Chance. Und an der Zulassung des Kaliumphosphonats durch die EU hätten zumindest die Südländer in der Gemeinschaft kein Interesse, ist sein Eindruck: Dort ist der Pilzdruck klimabedingt nicht so hoch wie in Deutschland.
Auch seine Erwartungen an die wissenschaftliche Tagung Anfang 2017 zum Thema Kalium-phosphonat sind nicht besonders hoch, nachdem das Mittel bereits über lange Jahre entwickelt und erforscht wurde. Ersatzmittel, die von Behördenseite vorgeschlagen werden, hätten sich in der Bioweinbau-Praxis als unzureichend erwiesen.
Katastrophal ist diese Situation nach Köpfers Ansicht aus zweierlei Gründen: Zum Einen werde es keine weitere Entwicklung im Bioweinbau geben, so lange sich diese Vorgaben nicht ändern. Nach der Erfolgsgeschichte des Bio-Anbaus wäre das ein harter Schlag, für die Verbände, aber auch für die Politik, die den Bio-Anbau fördert.
Zum anderen stünden die Biowinzer nach einer vergleichbaren Vegetationsperiode 2017 mit dem Rücken zur Wand. Die „Aussetzung” des Bioweinbaus in einem Jahr mit dem Durchlaufen der dreijährigen Umstellungsfrist zum Bioweinbau im Anschluss sei für die Biobetriebe keine praktikable Lösung.
Auf einer Klausurtagung des ECOVIN-Bundesverbands haben die Biowinzer deswegen jetzt nach einem neuen Umgang mit dem Mittel Kaliumphosphonat und der EU-Verordnung gesucht. Ein Ziel ist es, nach einem neuen, einem zweiten Standard zu suchen, der sich an die bisherige Bio-Klassifizierung der ECOVIN-Erzeuger anlehnt und dennoch die Verwendung von Kaliumphosphonat erlaubt: „Das wäre ein zweiter Level, zusätzlich zu unserem Bio-Standard”, berichtet Paulin Köpfer. „Wir dürften es nicht mehr „bio” nennen und wir müssten es dem Verbraucher sehr genau erklären”.
In schwierigen Jahren könnten Produkte mit diesem anderen Standard die Existenz der Biowinzer sichern. Und weil in diesem Jahr alle Weinbaugebiete von der Problematik betroffen waren, ist die Unterstützung für diese Pläne groß. „Wenn die EU-Standards nicht angepasst werden, kommen wir nur so aus dieser Notsituation heraus,” erklärt Köpfer.
Aus seiner Sicht lässt sich derzeit noch kein halbwegs realistisches Szenario für 2017 entwerfen: „Die bestehenden Regelungen verhindern eher den Bioweinbau”, urteilt er. Und der Verband könne den Biowinzern kaum helfen: Die wirtschaftliche Verantwortung trage schließlich jeder Erzeuger für seinen Betrieb selbst.