Was bringt einen Genussmenschen dazu, sich mit der Forschung von Resistenzmechanismen auseinanderzusetzen? Womit verlockt man einen Weintrinker zum Probieren von völlig unbekannten Tropfen, deren Namen klingen wie Zusatzstoffe der Lebensmittelindustrie: VB 91-26-14 zum Beispiel? Und überhaupt: Warum fahren Winzer Anfang September zu solchen Unternehmungen gerade in die Schweiz, nicht gerade das Weinbauland Nummer eins, oder? Und zum Beginn der Lesezeit könnten sie doch alle Besseres zu tun haben.
Können Sie nicht – wenn sie Biowinzer sind. Oder zumindest sehr interessiert an einem möglichst umweltfreundlichen Weinbau. Denn Matthias Wolff, Berater im ökologischen Weinbau, hatte sie an den Genfer See eingeladen. Genauer: An die Weinbauabteilung des Forschungsinstitutes Changins in Pully. Dort, so berichtet er, wird seit einiger Zeit die Züchtung von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten aufgebaut. Dieses Thema liegt den Biowinzern aus bekannten Gründen sehr am Herzen: Es erlaubt den Verzicht auf selbst biologische Spritzmittel gegen Pilzkrankheiten und erlaubt kurz gesagt wirtschaftlicheres Arbeiten selbst in abgelegenen oder zu kleinen Parzellen oder Steillagen.
Weintrinker kennen von diesen Piwi-Sorten zumindest den Regent, manchmal auch noch Johanniter und Helios, eher selten auch Leon Millot oder Marechal Foch. Aber dann ist Schluß. Zwar wird auch in Baden, nämlich am Freiburger Weinbauinstitut, in dieser Richtung geforscht, entwickelt und vor allem gezüchtet. Aber die Schweizer scheinen beim Thema Neuzüchtungen sehr engagiert und erfolgreich dabei zu sein.
Und so informierten sich Wolff und weitere 15 Teilnehmer am 3. und 4. September vor Ort, besichtigten den Sortengarten und verkosteten Neuzüchtungen mit so spannenden Namen wie IRAC 1999. Und was habe jetzt ich davon, werden Sie fragen. Warten Sie es ab. Von einigen der neuen Weine waren die badischen Experten nämlich sehr angetan: Wolff schwärmte von kräftigen Gewürz- und Fruchtaromen, von Rosen- und Muskatduft und war geradezu begeistert von einigen neuen roten Piwi-Sorten (auch wenn er bei den Weißweinen noch etwas zurückhaltender war).
Und wenn die Neuen erstmal Namen tragen wie Prior, Monarch oder oder Cabernet Carbon, dann zuckt auch der Kunde am Weinregal nicht mehr davor zurück. Manch einer wäre sowieso erstaunt, wenn er wüsste, dass das Biowein-Cuvée mit einem wohlklingenden Namen schon längst einen hohen Anteil pilzfester Rebsorten enthält oder gar ausschließlich aus ihnen geschaffen wurde. Insofern war diese Exkursion – nennen wir sie angesichts der Bandbreite der verkosteten Weine und der Ernsthaftigkeit der Tester ruhig Arbeit – eine Pionierarbeit. Und auch Genuß, das muss sich ja nicht ausschließen.
Wenn Ihnen also demnächst ein neuer Rotwein den Gaumen schmeichelt, mit unbekanntem Namen und beim Biowinzer gekauft, dann haben vielleicht neben den Wissenschaftlern und Züchtern und Winzern auch diejenigen damit zu tun, die sich schlau machen und einmischen. Die unten abgebildete Broschüre über Piwi-Weine kann man übrigens hier anfordern.
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